Die komplexe Fülle des Vorgefundenen
Oftmals sind die baulichen Interventionen das Ergebnis sich verändernder Grundstücks- und Nutzungsverhältnisse.
Binzwangen, ein Dorf mitten in Oberschwaben, gehört zu den Orten dem die ursprünglich in der Architektur niedergeschriebene landwirtschaftliche Nutzung nach und nach abhandenkommt. Prägende Gebäude sind abgebrochen oder teilweise rückgebaut. Bisher optisch gefasste Gebäude stehen nun frei. Grundstücke werden zusammengelegt und neu zu geteilt.
Charakteristisch für Binzwangen und übertragbar auf das zu bebauende Grundstück bleibt die Verdichtung auf Topographie und Architektur. Ausdruck dieser Verdichtung ist das Gemenge aus Nutz- und Wohngebäuden, Hofflächen auf künstlich geschaffenen Ebenen, Stützmauern und Restflächen.
Im Bereich des St. Paula-Quartiers sind die Bestandsgebäude entsprechend den Falllinien des nach Südost abfallenden Geländes ausgerichtet. Mit leichten Abweichungen zugunsten der funktionalen Anbindungen an den das Quartier umrundenden Straßenzug.
Die Beantwortung der Frage welches Ordnungsprinzip zu diesem speziellen Ort passt, greift die unterschiedlichen Aspekte des Vorgefundenen auf, wertet diese neu und schreibt die Geschichte des Ortes fort. Die Analyse des Vorgefundenen in all seinen Facetten ist ein fundamentaler Aspekt des Entwurfsprozesses. Ziel ist es die vorgefundene Sprache in ihrem eigenen Vokabular und in der ihr eigenen Grammatik weiterzuentwickeln.
Topographie und Nutzung - Der vormals überbaute Teil des Grundstücks wird in seinen natürlichen Geländeverlauf rückversetzt. Die Anordnung des Gebäudes folgt der daraus entstehenden Falllinie. Da die Orientierung des Gebäudes an den funktionalen Anforderungen einer landwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr greift, folgt der Neubau den funktionalen Anforderungen an das Wohnen von heute, an die Anforderungen einer wachsenden Familie, mit Orientierung der Wohnräume zur Aussicht, dem Blick auf die Donauaue und zur Sonne.
Gemenge und Erschließung - Der vorhandenen Gemengelage wird durch die zusätzlichen Nebengebäude mit Garagen- und Gerätelagernutzung und dem Erhalt vorhandener Stützmauern Rechnung getragen. Das Prinzip einer funktionalen Erschließung auf möglichst kurzem Wege wird beibehalten.
Gebäudeform und Fassade - Die Gebäudeform orientiert sich in Ihrer Längsausrichtung am Maßstab des oberschwäbischen Bauernhauses. Die davon abweichende Breite, die geringere Höhe und ebenfalls geringere Dachneigung muss als Eingriff zur Anpassung an die heutigen Maßstäbe des Wohnens verstanden werden. Das Öffnungsprinzip der Fassade ist Ausdruck des Innenlebens. Die Setzung der Fenster sowie die unterschiedlichen Größen sind das Ergebnis aus funktionalen Anforderungen. Entsprechend dem oberschwäbischen Bauernhaus folgt die auf den ersten Blick beliebige scheinende Anordnung einer inneren Logik.
Erscheinung und Materialisierung - Der auf das Notwendige begrenzte verputzte Baukörper ohne Zierrat ist Ausdruck oberschwäbischer Reduzierung im bäuerlich geprägten Umfeld.
Freiflächen und Entwicklung - Die für oberschwäbische Gehöfte charakteristische Nutzung von Freiflächen als Streuobstwiesen bis zur weiteren baulichen Nutzung durch die Nachkommen ist Vorbild für die Freiflächengestaltung. Ein kleiner Verweis auf die Geschichte, die der Nutzer an diesem Ort weiterschreiben wird.
Gefördert mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg im Rahmen des Programm MELAP PLUS - Neue Qualität im Ortskern in Binzwangen